Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
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3442761263 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 3442761263 bzw. 9783442761265, in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch, gebraucht.

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2002 Softcover 704 S. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm Broschiert Zustand: gebraucht - sehr gut, Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes` meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes` meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- u.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
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David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

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Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
Symbolbild
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

36,51 ($ 38,47)¹ + Versand: 7,13 ($ 7,51)¹ = 43,64 ($ 45,98)¹
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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
Symbolbild
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
Symbolbild
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
Symbolbild
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
Symbolbild
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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9783442761265 - David S. Landes: Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft.
Symbolbild
David S. Landes

Wohlstand und Armut der Nationen Warum die einen reich und die anderen arm sind von Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft. (2002)

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ISBN: 9783442761265 bzw. 3442761263, vermutlich in Deutsch, Berliner Taschenbuchverlag, Taschenbuch.

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Berliner Taschenbuchverlag, 2002. 2002. Softcover. 19,1 x 11,6 x 4,5 cm. Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und Vetternwirtschaft, Bad Governance oder auch Mangel an Verantwortungsgefühl und Engagement auf anderen Ebenen der Gesellschaft. Aber es erklärt vieles, und macht hoffentlich nachsichtiger. Landes erinnert daran, wie lange Europa gebraucht hat, um sich zu dem Niveau der Gegenwart zu entwickeln. Das Innere Afrika wird hingegen erst seit rund 150 Jahren wirklich erschlossen und dies, wie man weiß, über weite Strecken auf wenig förderliche Art und Weise. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Landes fünf Faktoren als Grundlage der Entwicklung von Wohlstand ausmacht: 1. Ein einigermaßen zuträgliches geografisches Umfeld. Mäßiges Klima, fruchtbare Böden, Zugänge zum Meer, große Flüsse als Transportwege sind vorteilhaft 2. Ein religiöser bzw. weltanschaulicher Hintergrund, der eine rationale Betrachtung, Ergründung und Nutzbarmachung der materiellen Welt zulässt oder sogar motiviert und auf dynamisch verwirklichte gemeinschaftliche Ideale setzt, statt auf statische Ordnungen 3. Ein Wertekanon, der persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung hoch bewertet, herausragende Leistungen honoriert, ein gesundes Maß an Ungleichheit zulässt ohne innergesellschaftliche Solidarität zu vernachlässigen 4. Kulturelle Verankerung von Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein; Integrität auch außerhalb der eigenen sozialen Gruppe 5. Eine Regierung, die individuelle Rechte und Freiheiten garantiert und - ebenso wie sonstige Eliten und Entscheidungsträger - im Sinne des Gemeinwohls agiert Dies ist aufschlussreich auch für die Betrachtung der Ungleichheiten, für das Nachdenken über Entwicklungsmöglichkeiten und -prognosen in der gegenwärtigen Welt. Ein sehr empfehlenswertes, erfrischend geschriebenes Buch, das längst zu einem Standardwerk der Entwicklungsgeschichte avancierte. Reihe/Serie Berliner Taschenbuch Verlag BTV Zusatzinfo 10 schw.-w. Abb. Einbandart kartoniert Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte Sozialgeschichte ISBN-10 3-442-76126-3 / 3442761263 ISBN-13 978-3-442-76126-5 / 9783442761265 Wohlstand und Armut der Nationen David S. Landes Das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte Kaum eine Frage ist umstrittener und stärker mit Ideologie befrachtet als die, warum manche Länder wirtschaftlich äußerst erfolgreich sind, während andere unfähig scheinen, aus ihrer Armut herauszufinden. Liegt es am Klima? An der Kultur? An der Politik? In seiner umfassenden Geschichte über die Weltwirtschaft der letzten sechshundert Jahre entwickelt David Landes Antworten auf diese Fragen und bietet zugleich ein Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung.« (Die Zeit) »Keine Frage: Jeder Leser wird von diesem prachtvollen, erfrischenden Buch provoziert und angeregt werden. Landes ist ein Bilderstürmer.« (New York Times) »Spannende Weltwirtschaftstheorie.« (Raiffeisenzeitung) Klappentext: "Wer wird die Welt in das 21. Jahrhundert führen? Für die Antwort kann man sich keinen besseren Leitfaden denken als David Landes' meisterhaftes Werk." "Ein Glückstreffer der Wirtschaftsgeschichtsschreibung." Die Zeit Das mittelalterliche Europa hatte es nach Landes Einschätzung nicht leicht. Von grausamen Nordmänner, Sarazenen, Magyaren überfallen, in Kreuzzügen aufgerieben, von Pestepidemien heimgesucht, in König- und Fürstentümer unterteilt und zerstritten, oft von einer Kirche, die ihren Auftrag verriet, geknebelt. Dennoch habe es gegenüber anderen Regionen Vorteile gegeben. Sowohl aus der römischen, wie auch aus dem germanischen und judeo-christlichen Tradition speiste sich die Auffassung des Rechts auf Eigentum - in dieser Form bspw. im China jener Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies war eine wesentliche Grundlage für die - Besitz erweiternde - Entwicklung von Landwirtschaft, Handel, Handwerk, Banken, Manufakturwesen usw. mit der immer weitere Teile der Gesellschaft erstarkten und selbstbewusst ihre Rechte und Freiheiten einforderten. Stabile Institutionen entstanden und die Möglichkeiten politischer Partizipation erweiterten sich über die Jahrhunderte Schritt für Schritt - freilich nicht ohne z.T. blutigste Auseinandersetzungen und Wehen. Immer mehr Menschen konnten sich so vollumfänglich produktiv und kreativ einbringen. Diesem Prozess kam zu gute, dass das Christentum - im Gegensatz bspw. zum Konfuzianismus oder Hinduismus - ursprünglich in Bezug auf Fragen der gesellschaftlichen Organisation Enthaltsamkeit übte. Die christlichen Ideale beanspruchten Geltung unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform. Darauf konnten sich benachteiligte Gruppen immer wieder berufen - der Adel gegenüber König, Papst und Kaiser; die Bauern und Bürger gegenüber dem Adel. Ähnlich positiv, so Landes, waren auch die Auswirkungen der jüdisch-christlichen Überlieferung bezüglich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung bzw. wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Flüsse, die heilig sind, nutzt man nicht für Wassermühlen, in Heiligen Hainen fällt man kein Nutzholz. Für Planeten, die - wie etwa bei Ägyptern, Griechen und Römern - mit Göttern identifiziert werden, berechnet man keine Umlaufbahnen. Wie bei Platon und Aristoteles war bzw. ist bei Juden und Christen Gott der Schöpfer aller Dinge; der Mensch beauftragt, sich die materielle Welt in angemessener Weise untertan zu machen. In letzterem liegt wiederum ein grundlegender Unterschied zur östlichen Philosophie und Religion - dort geht es stets weit weniger um Beherrschung als um ein Leben in Harmonie mit der Natur. Unterschiedliche Entwicklung innerhalb West-Europas haben, so Landes, ihren Ursprung am Beginn der Neuzeit, v.A. in Zusammenhang mit der Entwicklung der Schifffahrt und der Entdeckung Amerikas. So war bspw. England weit mehr auf Warenproduktion und extensiven Handel angewiesen als Spanien, dem tonnenweise Gold aus den südamerikanischen Kolonien zufloss. - Für Lateinamerika waren hier die Konsequenzen ähnlich wie für das europäische Stammland. Während die nordamerikanischen Siedler am Aufbau einer wirtschaftlichen Basis arbeiteten, konnten die südamerikanischen importieren, was andernorts produziert wurde. Etwas anderes kam laut Landes hinzu: Die Besiedlung in Nord und Süd fanden jeweils durch einen völlig anderen Menschenschlag statt: Im Norden die frommen Siedler, oft vor Verfolgung geflohen und schon deshalb von Idealen wie Freiheit und Gerechtigkeit beseelt. Ein gutes Arbeitsethos, Autonomie und Unternehmergeist, aber auch ausgeprägter Gemeinsinn zeichneten diese Leute aus. Im Süden hingegen heuerten für das Unternehmen Neue Welt zu großen Teilen diejenigen an, die sich in der alten" schwer taten, Raubeine und Ganoven, Abenteurer und Draufgänger. Im Zuge einer Besiedlung, in der das Recht des Stärkeren entschied, etablierte sich schließlich eine quasi-feudale, einseitig agrarwirtschaftlich orientierte Ordnung bei der die Macht über lange Zeit in den Händen derjenigen lag, die sich den größten Grundbesitz angeeignet hatten und die an Entwicklung nicht interessiert waren. Spanien und Portugal gerieten auch aus anderen Gründen vom 16./17. Jahrhundert an auf den absteigenden Ast. Die Inquisition bedrohte hier das freie - zumal öffentliche - Denken mehr als irgendwo sonst. Für die in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen oft sehr beschlagenen Juden wurden die Verhältnisse immer bedrohlicher, sodass sie abwanderten. Mehr und mehr, so Landes, habitualisierten sich Ignoranz und eine ausgeprägte geistige Stumpfheit. Ganz anders in Mitteleuropa. Kein Kulturkreis entwickelte etwas der exakten neuzeitlichen Wissenschaft - mit ihrer gezielten, experimentellen Befragung der Natur auf Gesetzmäßigkeiten hin - vergleichbares. Dennoch, so Landes, hätte die Wissenschaft im Vorfeld der Industriellen Revolution keine zu große Rolle gespielt. Die Entwicklung vollzog sich eher auf der Basis empirischer Erkenntnisse, die im Produktionsprozess selbst gemacht wurden. Bezüglich der Frage, warum die Wirtschaft insbesondere in England, dann aber auch bald in Nordamerika, und anderen europäischen Staaten eine solche Dynamik entwickelte, kommt der Autor zu dem selben Schluss wie Max Weber, der die tiefere Ursache im protestantischen Arbeitsethos verortet. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, warum sich Ost- und Westeuropa so unterschiedlich entwickelten. Weitere kommen hinzu. Die Slawen konnten weit weniger bzw. erst viel später als Westeuropa auf den Fundamenten der griechisch-römischen Antike aufbauen. Zum anderen war der Osten dann durch das Vorbild Byzanz geprägt und dies war gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Zentralismus. Was im Westen zunächst ein Nachteil war, die Zerstücklung und Aufteilung in viele rivalisierende Herrschaftsbereiche - wurde schließlich zum Vorteil. Man musste verhandeln, streiten, sich von unten her organisieren. Man machte Kompromisse um höherer Ziele willen, doch stets ohne ein relativ großes Maß an Autonomie preiszugeben. In einem solchen Klima entwickelt sich ein entsprechender - eher individualistisch, eher eigenständig, eher innovativ denkender - Menschentypus. China ist eine alte Hochkultur, die philosophische und dichterische Weltliteratur zu einer Zeit hervorbrachte, als man im Europa der Germanen noch keine Schrift kannte. Legendär sind die frühen - im weiteren Verlauf der Geschichte oft wieder vernachlässigten - Erfindungen Chinas: die ersten - wenn auch primitiven - Hochöfen, das Papier, das Drucken mit beweglichen Lettern, das Schießpulver, der Kompass. Früh hatte man den den Reisanbau perfektioniert, weite Teile des heutigen China mit einem Bewässerungssystem überzogen. Im 15. Jahrhundert war das Reich der Mitte" bereits dem Status einer hegemonialen Weltmacht sehr nahe - mit einer gigantischen Flotte, die bis nach Afrika vorstieß und Tribut einholte. Aus historisch schwer nachvollziehbaren Gründen vollzog die Ming Dynastie nach einer kurzen, höchst expansiven und progressiven Phase dann gewissermaßen eine Wende nach innen. Die Innovation und Dynamik die sich entfaltete, machte den Herrschenden wohl Angst. Die konfuzianische, statische Auffassung einer ewig gültigen, natürlichen Gesellschaftsordnung dominierte das Denken. Landes zitiert: "In Staatsangelegenheiten scheint es so, dass, wenn die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgründer genauestens befolgt und nicht verändert werden, der Staat auf ewig bestehen bleibt. Wenden sich indessen die Nachfolger gegen die Gesetze ihrer Vorfahren und ersinnen sie neue, dann verfällt der Staat dem Chaos und wird gewiss untergehen." Als vom 16. Jahrhundert an Europäer chinesischen Boden betraten, erlebten diese trotz allem eine stolze, sich allen anderen überlegen fühlende Kultur. Aber gerade darin lag das Verhängnis. Die Fortschritte der Europäer im Feld der mathematischen Wissenschaften - nichts, was nichts schon im Buch der Wandlungen" geschrieben wäre! Die technischen Neuerungen, die die Jesuiten präsentierten (bspw. mechanische Uhren) - interessant und kurios, aber wozu benötigte man das? Ganz anders erlebten die ersten Europäer, die 1543 japanischen Boden betraten, das Land der aufgehenden Sonne. Die Japaner - wenngleich zu jener Zeit in viele rivalisierende Fürstentümer gespalten - zeigten sich aufgeschlossen, gastfreundlich und wissbegierig. Sie wirkten auf die Besucher energetischer, zielstrebiger und innovativer als die Chinesen. Auch das Christentum wurde oft begeistert aufgenommen. Dies, so Landes, hätte jedoch den gängigen japanischen Kodex unterlaufen. Der völlige Gehorsam gegenüber Herrschern, Adligen, Kriegs-, Grund- und Dienstherren - bis hin zum Suizid, wenn der Befehl dazu auch nur andeutungsweise erging, war etwas, was die Christen, die sich nun in erster Linie Gott verpflichtet sahen, nicht mehr mitvollziehen konnten. Dass sich die spanischen und portugiesischen Seefahrer und Händler auch noch zunehmend arrogant, herablassend und tölpelhaft präsentierten, verstärkte die Ressentiments unter der herrschenden Elite nur noch mehr. Die Folge war schließlich ein radikales Vorgehen gegen alles, was die traditionellen Werte infrage stellte und zu bedrohen schien. Mit einer Brutalität sonders gleichen wurden alle Christen, die ihrem Glauben nicht entsagen wollten verfolgt und getötet. Schätzungen von Historiker belaufen sich auf eine Zahl von 300.000 bis 700.000 Opfern. Wie China vollzog Japan eine Wende nach innen, die erst im 19. Jh. durch die Kanonenboote des Commodore Perry und die nachfolgende Meiji-Restauration revidiert wurde. Im Zuge der letzteren vollzog sich eine nationale Einigung unter dem Tenno - die Ständeordnung und das Shogunat wurden abgeschafft. Eine Modernisierung, Technisierung und Industrialisierung wurde nun mit Nachdruck betrieben und dies bekanntlich sehr erfolgreich. Die Mentalität der Japaner sei bestimmt gewesen durch eine Mischung von zu Höchstleistungen anspornender Bushido-Ethik und zen-buddhistischer Arbeitsmystik, im Resultat ähnlich effektiv wie der Protestantismus. Während im Westen ein wachsender Individualismus zum Tragen kam, blieb in Japan jedoch ein tiefes Gefühl der nationalen Verbundenheit erhalten. Anders als andere Entwicklungs-Nachzügler, so Landes, hätten die Japaner von Anfang an ein hohes Maß an Selbständigkeit gezeigt. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die verlängerte Werkbank des Westens zu sein - sie lernten schnell und entwickelten rasch selbst leistungsfähige Technologien und Produkte. Sie ließen nicht Scharen von Fachkräften und Entscheidungsträgern im Ausland studieren bzw. ausbilden - sie bauten schnell eigene Universitäten mit hohem Niveau auf. Und Indien? Auch hier tat die kulturelle Prägung ihr Werk. Der Hinduismus ist eher ein Kosmos verschiedenster religiöser Konzepte als eine einheitliche Religion. Es gibt jedoch gewisse gemeinsame Grundzüge. Zu diesen gehört der Glauben an den Dharma, eine Art universelles kosmisches Gesetz, die ewige Ordnung der Welt. Diese unumstößliche Ordnung manifestiert sich sehr konkret im gesellschaftlichen und persönlichen Leben. So ist natürlich auch das Kastenwesen Ausdruck derselben. Der Dharma bestimmt bzw. regelt das Leben bis ins Detail. Jede Kaste, ja jeder Berufsstand hat eine ganz individuelle Daseinsbestimmung. Es gilt, dieser Ordnung unbedingt zu folgen; aus ihr auszubrechen, sich aus einer niederen Kaste empor arbeiten zu wollen, gilt als Sünde. Dass ein solches System wenig Leistungsanreize bietet, liegt auf der Hand. Die britische Kolonialherrschaft hatte von daher auch positive Seiten. Sie schuf ein relativ stabiles Netz von Institutionen sowie erste Ansätze eines Bildungssystems und brachte ein neues Menschenbild, von dem sich auch Menschen wie Gandhi und Nehru inspirieren ließen. Den islamischen Kulturkreis sieht Landes seit jeher blockiert durch die Machtausübung von Despoten, die jede Eigeninitiative, jeden Ehrgeiz und jede Kreativität bei den Untergebenen unterdrückt. Deshalb gab es zwar unter der Flagge des Islam über lange Zeit ein fortschreitende Expansion. Auch war man offen dafür, Wissen und Kultur unterworfener und benachbarter Völker zu absorbieren und streckenweise - unter dem Abbasiden-Kalifat - fand eine beeindruckende Weiterentwicklung statt - im persischen Corasan (Ibn Sina, Al Biruni), in Bagadad (Haus der Weisheit) oder dann auch im maurischen Spanien - Cordoba (Ibn Rushd), Granada (Ibn Chaldun). Mehr und mehr setzte sich aber - von Herrschern, denen es in erster Linie um Ordnung und Stabilität ging, gern aufgegriffen und befördert - die Lehre des persischen Philosophen und Theologen Al Gazzhali (11. Jh.) durch, welcher all die moderne Gelehrsamkeit als letztlich eitles, für das Volk ohnehin nicht nachvollziehbares und aus geistlicher Sicht fragwürdiges Treiben ansah. Während in Europa dann nach Gutenbergs Erfindung der Buchdruck immer mehr Wissen unter das Volk brachte, tat man sich im benachbarten islamischen Kulturkreis auch damit schwer. Der Koran durfte nur in arabischer Sprache vervielfältigt werden, da diese als die Sprache der Offenbarung galt - dies zudem möglichst in kalligrafisch kunstvoller Schrift - keinesfalls in so profaner Weise, wie dies durch maschinelle Pressen und Drucklettern geschah. Sultan Bajasid II. verbot 1483 die Errichtung von Druckereien unter Androhung der Todesstrafe. Dies wurde erst 1727 zurückgenommen. Es war die Zeit in der man im Osmanischen Reich langsam aufwachte und des bedrohlich wachsenden Rückstandes gegenüber dem Westen - besonders im Zusammenhang kriegerischer Auseinandersetzungen mit Österreich und Russland - gewahr wurde. Die Buchproduktion hielt sich dennoch - bis heute - in Grenzen. Die Reform- und Industrialisierungsversuche des ägyptischen Herrschers Mohammad Ali Pascha im 19. Jahrhundert, der wohl ambitionierteste Versuch im islamischen Raum, an der Schwelle zur Moderne den Anschluss an den Westen zu finden (Landes geht recht ausführlich darauf ein), wurden von der Hohen Pforte in Istanbul ausgebremst. Afrika ist von der Stammeskultur geprägt. Der Kontinent bietet mit seinen z.T. extremen klimatischen Bedingungen, gefährlichen Krankheiten, teilweise landwirtschaftlich wenig geeigneten Böden nicht die besten Voraussetzungen und war dementsprechend dünn besiedelt. Große Städte, die in der Geschichte stets Voraussetzung für komplexere Formen menschlichen Zusammenlebens, ethisch-religiöser Systeme, Erfindungsreichtum und technischer Neuerungen - auch im Bereich der Kriegsführung, Formen organisierten und konkurrierenden Wirtschaftens waren, entstanden kaum. Vereinzelt kam es zu Reichsbildungen - Aksum, Mali, Ghana, Kongo, Simbabwe - zumal im Süden Afrikas aber kaum mit denen anderer Weltregionen vergleichbar. Bereits die städtische Kultur der Griechen beförderte massiv den Wettbewerb. Alles war darauf ausgerichtet, das eigene Potenzial zu entfalten und zu erweitern. Dgl. ist der afrikanischen Kultur eher fremd. Zwar gibt es auch in Stammesgesellschaften ein Streben nach Führungspositionen. Dies betrifft jedoch nur wenige, die über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen. Auch von ihnen wird erwartet, dass sie das Wohl der Gemeinschaft über das eigene stellen. Auszuscheren und sich von den anderen abzuheben gilt als verwerflich. Dies alles macht auch Sinn. In einer Gesellschaft ohne stabile übergeordnete Institutionen ist der Einzelne in allen Notlagen und Konfliktfällen auf den Verband, dem er ursprünglich zugehört, verwiesen. Deshalb sind Solidarität, Loyalität, Egalität von entscheidender Bedeutung. In vielerlei Hinsicht gilt das bis heute. Afrika befindet sich noch immer in einer zivilisatorischen Umbruchsphase. Die traditionellen Strukturen sind zerbrochen oder zumindest fragil. Die neuen", westlich orientieren Formen gesellschaftlicher Organisation sind jedoch noch längst nicht tragfähig. Natürlich ist all dies keine Entschuldigung für Korruption, Clan- und.
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