Algerien: Der unheimliche Krieg - 8 Angebote vergleichen

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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg
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Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg (1998)

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ISBN: 9783716511671 bzw. 3716511676, vermutlich in Deutsch, Benteli, gebundenes Buch.

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Benteli, 1998. 1998. Hardcover. Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. 0.
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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg 1998
Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg 1998 (1998)

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1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg 1998
Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg 1998 (1998)

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ISBN: 9783716511671 bzw. 3716511676, in Deutsch, Benteli, gebundenes Buch, gebraucht, guter Zustand.

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Von Händler/Antiquariat, BUCHSERVICE / ANTIQUARIAT Lars-Lutzer *** LITERATUR RECHERCHE *** ANTIQUARISCHE SUCHE, 23812 Wahlstedt.
1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg 1998
Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg 1998 (1998)

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ISBN: 9783716511671 bzw. 3716511676, in Deutsch, Benteli, gebundenes Buch, gebraucht, guter Zustand.

189,00 + Versand: 6,99 = 195,99
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Von Händler/Antiquariat, BUCHSERVICE / ANTIQUARIAT Lars-Lutzer *** LITERATUR RECHERCHE *** ANTIQUARISCHE SUCHE, 23812 Wahlstedt.
1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg 1998
Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg 1998 (1998)

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ISBN: 9783716511671 bzw. 3716511676, in Deutsch, Benteli, gebundenes Buch, gebraucht, guter Zustand.

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1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg 1998
Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg 1998 (1998)

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Von Händler/Antiquariat, BUCHSERVICE / ANTIQUARIAT Lars-Lutzer *** LITERATUR RECHERCHE *** ANTIQUARISCHE SUCHE, 23812 Wahlstedt.
1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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9783716511671 - Michael von Graffenried (Autor): Algerien: Der unheimliche Krieg 1998
Michael von Graffenried (Autor)

Algerien: Der unheimliche Krieg 1998 (1998)

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ISBN: 9783716511671 bzw. 3716511676, in Deutsch, Benteli, gebundenes Buch, gebraucht, guter Zustand.

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Von Händler/Antiquariat, BUCHSERVICE / ANTIQUARIAT Lars-Lutzer *** LITERATUR RECHERCHE *** ANTIQUARISCHE SUCHE, 23812 Wahlstedt.
1998 Hardcover 158 S. Zustand: gebraucht - sehr gut, Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Versand D: 6,99 EUR Begriffe und Bilder wider den Schrecken.Neue Bücher über die Krise in Algerien.ach. Den algerischen Sicherheitskräften ist es, entgegen aller von Regimevertretern zur Schau gestellten Siegeszuversicht, bis heute nicht gelungen, den Terroraktivitäten bewaffneter Islamisten ein Ende zu setzen. So offensichtlich ist dieser Fehlschlag, dass sich der Verdacht aufdrängt, die hinter einer demokratisch-pluralistischen Fassade weiterhin alle Fäden ziehenden Offiziere hätten letztlich gar kein Interesse daran, den Terroristen das Handwerk zu legen. Frieden würde nämlich bedeuten, dass über ihre Macht und ihren Einfluss, über ihre Legitimität und ihre Stellung in der Politik offen diskutiert würde und dass sie befürchten müssten, ihre grotesken sozialen und wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Auch hätten sie angesichts ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen mit Gerichtsverfahren zu rechnen. Jedenfalls haben die Offiziere es bis heute abgelehnt, einen politischen Ausweg aus der Krise zu beschreiten.Die Rolle der Gemeinschaft St. Egidio.Einen solchen Ausweg gibt es; mehrere algerische Oppositionsparteien, darunter auch der Front islamique du salut (FIS), haben ihn in der Plattform von Rom 1995 aufgezeigt. In dem Dokument, das auf Anregung der katholischen Laiengemeinschaft St. Egidio zustande gekommen ist, vermeiden die Unterzeichner jegliche Schuldzuweisung; sie setzen sich für Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter Einschluss des FIS ein, die zur vollen Wiederherstellung der Volkssouveränität in freien Wahlen führen sollen. Die Teilnehmer an diesen Friedensverhandlungen hätten unter anderem Gewalt als Mittel zur Ergreifung und Sicherung der Macht abzulehnen, für die Nichteinmischung der Armee in politische Angelegenheiten einzutreten und zu versprechen, die individuellen und kollektiven Grundfreiheiten zu respektieren. Ausserdem verlangen die Unterzeichner der Plattform von Rom die Durchführung vertrauensbildender Massnahmen, darunter die Freilassung aller inhaftierten Führer des FIS, die sofortige Abschaffung der Folter und ein Moratorium beim Vollzug der Todesstrafe. Nichts, am allerwenigsten das schroffe Nein aus Algier, vermag zu verdecken, dass die in der Plattform enthaltenen Vorschläge realistisch sind.Nun liegt erstmals ein Buch vor, das die Entstehungsgeschichte der Plattform von Rom und den Beitrag der Gemeinschaft St. Egidio ausleuchtet. Die beiden Autoren, Marco Impagliazzo und Mario Giro, gehören zu den Initianten der Römer Gespräche; sie sind mit den darin involvierten algerischen Persönlichkeiten bestens vertraut. Mehr noch als in der Schilderung des Treffens liegt der Wert des Buches in der sorgfältigen und kenntnisreichen Analyse der algerischen Krise. Wenn etwas an dem unter dem Titel «Algerien als Geisel» auch auf deutsch vorliegenden Buch auszusetzen ist, so an der Übersetzung, die allzu stark am Wortwörtlichen klebt. So wird der im algerischen Kontext häufig verwendete französische Begriff «Pouvoir» wörtlich mit «Macht» übersetzt. Gemeint ist aber stets die Offizierskaste, die sich seit der Unabhängigkeit Algeriens als alleinige Interpretin und Vollstreckerin des Volkswillens aufführt.Das Bedürfnis nach Übersicht.Gewissermassen die photographische Ergänzung zum Buch von Impagliazzo und Giro bildet Michael von Graffenrieds Bildband «Algerien. Der unheimliche Krieg». Die kühlen Schwarzweiss-Aufnahmen des in Paris lebenden Photographen überrumpeln nicht, sondern schaffen Distanz; sie befriedigen das Bedürfnis nach Überblick und Einsicht, nicht dasjenige nach Spektakel und Exotik. Spektakulär ist allenfalls die Arbeit, die diesen Aufnahmen vorausgegangen istdie Kontaktaufnahme und die Pflege der Freundschaft mit Einheimischen, die Sondierung des Terrains, die Furchtlosigkeit in der Masse und schliesslich auch das technische Geschick. Von Graffenried arbeitet häufig mit einer Panoramakamera, die es ihm erlaubt, Aufnahmen zu machen, ohne durch den Sucher schauen zu müssen. Von daher das Übersichtliche seiner Bilder, ihre Vollständigkeit, aber auch die Natürlichkeit der abgebildeten Personen, denn diese merken nicht, dass sie photographiert werden. Zu den eindrücklichsten Aufnahmen des Bildbands zählen jene, welche das Vorgehen des Sicherheitsapparats dokumentieren – die Frucht eines vierzehntägigen Aufenthalts bei einer Antiterroreinheit. Ob es von Graffenried je gelingt, auch mit den islamistischen Terroristen Verbindung aufzunehmen und die Umstände ihres – meist kurzen – Lebens zu dokumentieren?.Symbolische Gewalt.Einen völlig neuen, originellen Einblick in die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe Algeriens eröffnet der algerische Soziologe Slimane Medhar in seiner Untersuchung «La violence sociale en Algérie». Gemäss seiner Beschreibung ist die algerische Gesellschaft durch und durch traditionell, das heisst, sie ordnet individuelle Ansprüche und Bedürfnisse rigoros der Gruppe, in erster Linie der erweiterten Familie, unter. Medhar spürt dem allgegenwärtigen Gruppendruck – er spricht von «symbolischer Gewalt» – in so verschiedenen Gebieten wie dem familiären Milieu, der Berufsausübung, der religiösen Praxis, der staatlichen Verwaltung und der Politik nach. Wohl schafft die Einbettung in die Familiensolidarität und in «künstliche» Beziehungsnetze Entlastung, dies aber um einen hohen Preisdie Schwächung des Individuums, das abhängig und schliesslich austauschbar wird. Die Politik verkommt zum Krieg der Clans und der Beziehungsnetze, die sich die aus der Erdöl- und Erdgasproduktion anfallenden Einkünfte streitig machen. Medhar wagt keine Antwort auf die von ihm selber aufgeworfene Frage, ob es denn dem algerischen Regime gelinge, eine wirkliche gesellschaftliche Entwicklung einzuleiten, das heisst, die Produktionsmonopole abzuschaffen, die (negative) Einstellung der Algerier zur Arbeit zu ändern, den Einfluss der Familie und der Beziehungsnetze zu beschneiden, die Religion zu privatisieren und die Meinungsfreiheit zu garantieren. Im Licht seiner Analyse muss die Antwort negativ lauten. Angelegt am: 17.10.2012.
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